Neuer Handlungsspielraum - Karin W. & Hannes G.
Karin Weigl
In der Wirtschaftskrise 2008/2009 erlebte ich, wie Führung nicht sein sollte. Mein damaliger Vorgesetzter traf hektische, kaum nachvollziehbare Entscheidungen – ohne mich und meine Kolleg*innen mitzunehmen. Informationen gab es nicht, Zeit für Austausch auch nicht. Er war getrieben, selten ansprechbar, und wenn wir doch die Gelegenheit hatten, Fragen zu stellen, wurden wir mit Druck und Floskeln abgespeist: „Frag nicht so viel, tu einfach“ oder „Du setzt die falschen Prioritäten“.
Meine Kolleg*innen und ich standen wochenlang im luftleeren Raum. Wir waren ja auch Führungskräfte, die Teams führten, doch ohne Orientierung von oben fiel es uns schwer, Stabilität zu geben. In dieser Unsicherheit entschied ich mich bewusst für Klarheit und Entschleunigung. Ich sprach an, was ich für sinnvoll hielt, traf Entscheidungen in meinem Einflussbereich und schuf zumindest etwas Halt für mein Team. Doch das verlangte mir viel Kraft ab. In dieser Zeit habe ich gelernt, wie wichtig innere Klarheit, Ruhe und ein ehrliches Miteinander in Krisenphasen sind. Und welche negativen Folgen aktionistische, unsichere Führung mit Druck hingegen für ein ganzes System haben kann.
Karin ist selbständige Unternehmensberaterin und LSB.
Hannes Gessoni
Handlungsfähigkeit in krisenhaften Situationen beschäftigt mich schon sehr lange. Psychologisch, organisational und auch ganz handfest.
In den frühen 2000er Jahren brachte mich meine Tätigkeit im internationalen Krisenprojektmanagement in teilweise gefährliche Situationen.
Ein nächtlicher Überfall im Hotelzimmer, Bedrohungen auf der Straße, Entführungsversuch in einem falschen Taxi – als „Lowlights“ aus dieser Zeit .
Das hatte mit den regionalen Sicherheitslagen der Länder zu tun, in denen ich damals arbeitete. Meine langjährige Kampfkunstpraxis hat mir geholfen, in kritischen Situationen klar zu sein und unbeschadet zu bleiben.
In Krisen und extremen Situationen handlungsfähig und verhandlungsfähig zu sein, ist vor allem Trainingssache. Das kann man lernen. Das muss man üben.
Viele Menschen spulen, wenn es eng wird, unreflektierte Muster ab. Das „Denkhirn“ hat Pause. Oft zeigt sich erstarrte Handlungslosigkeit, oder genau das Gegenteil, Panik in Form von blindem Aktionismus.
Das ‚bewusste Ich‘ unter Druck zu entdecken und zu kultivieren‘ interessiert mich so sehr, dass ich das zu meinen Beruf gemacht habe. Einerseits forschend und lehrend im akademischen Umfeld, andererseits praktisch in Projekten und in der Führungsweiterbildung.
So arbeite ich seit rund 20 Jahren mit Menschen, die Verantwortung in schwierigen Situationen und unter Druck übernehmen.
Hannes ist selbständiger Unternehmensberater und LSB.